Wie man einen narzisstischen Chef im Vorstellungsgespräch erkennen kann

Bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle sollte man in einem Vorstellungsgespräch darauf achten, dass man nicht an einen narzisstischen Vorgesetzten gerät. Narzissten haben zwar ein beeindruckendes Auftreten und machen  große Versprechen, fordern aber hinterher einen unverhältnismäßig hohen Einsatz von ihren Mitarbeitern. Sie gehen wenig zimperlich mit ihren Angestellten um, erwarten Höchstleistungen und können bei Misserfolgen sehr intolerant werden.

Vorstellungsgespräch mit einem narzisstischen Chef

Bild: © contrastwerkstatt – Fotolia.com

Narzissten führen ihre Mitarbeiter oft nach Gutsherrenart, nehmen wenig Rücksicht auf ihre Angestellten und beeinträchtigen durch ihr rücksichtsloses Verhalten und ihren autoritären Führungsstil das Betriebsklima. Sie ändern Ihre Anweisungen ständig um und ersetzen sie durch neue Ziele und Aufgaben. Entscheidungen trifft der Narzisst alleine, ohne die Mitarbeiter einzubeziehen. Handeln Mitarbeiter eigenständig oder werden Fehler gemacht, reagiert der narzisstische Chef mit scharfer, unsachlicher und unfairer Kritik. Gute Ergebnisse schreibt er sich zu, für schlechte Ergebnisse sind die Mitarbeiter verantwortlich.

Mitarbeiter werden durch diesen Führungsstil wenig motiviert, weshalb sie ihre Aufgaben oft nur mechanisch ohne wirkliche Freude ausführen. Durch die hohen und zum Teil unrealistischen Forderungen sowie den rauen Umgangston leiden auf Dauer die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Mitarbeiter. Ständig überschatten Konflikte den Alltag in der Abteilung, die Produktivität geht nach unten und Leistungsträger wandern ab. Für den Narzissten steht nur der kurzfristige Erfolg im Vordergrund, für den alle Ressourcen restlos aufgebraucht werden.

Nach außen kann der Narzisst demokratisch und großzügig auftreten. In Wahrheit aber trifft er alle Entscheidungen selbst, lässt sich nicht in die Karten schauen und übt eine strenge Kontrolle aus. Hinter dem Gewand der Liberalität verbergen sich Druck, Manipulation, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Kränkungen. Daher sollten Sie bereits in einem Vorstellungsgespräch darauf achten, ob Ihnen an Ihrem potenziellen Chef narzisstische Eigenschaften auffallen.

Worauf Sie in den ersten Minuten achten sollten

Narzissten treten in der Regel sehr selbstbewusst und charismatisch auf. Sie haben einen festen Händedruck, einen intensiven Augenausdruck und eine gespannte Körperhaltung. Man kann kaum übersehen, wer der Chef ist, weil seine Ausstrahlung und seine Präsenz die aller anderen in den Schatten stellen. Meistens ist das Verhalten der Angestellten sehr unterwürfig, verängstigt oder demotiviert.

Findet das Vorstellungsgespräch in seinem Büro statt, sollten Sie darauf achten, wie sein Büro eingerichtet ist. Ist es besonders groß und geräumig, stehen moderne und luxuriöse Einrichtungsgegenstände im Raum oder befindet sich sein Büro in einer exponierten Lage, spricht das für sein Bedürfnis, sich von anderen abheben und als etwas Besonderes gelten zu wollen. Sind mehrere Urkunden oder andere Zeichen seiner Verdienste in seinem Büro zu sehen, will er seine Kompetenz betonen.

Da narzisstische Vorgesetzte immer sehr beschäftigte Menschen sind, kann es sein, dass Ihr Vorstellungsgespräch nicht pünktlich beginnt, sondern dass Sie mit einer langen Wartezeit rechnen müssen. Für das Wartenlassen erhalten Sie allerdings keine Entschuldigung – ein narzisstischer Chef hält es für selbstverständlich, dass Sie seine Zeit für ihn opfern.

Worauf Sie während des Vorstellungsgesprächs achten sollten

Es sollte Ihnen nicht schwerfallen, einen narzisstischen Chef während des Vorstellungsgesprächs zu beobachten, da Sie möglicherweise nicht viel zu Wort kommen: Er erzählt lieber selbst, als dass er anderen zuhört.

  • Er hält einen Monolog über sich und die Firma. Er möchte sich gerne mit seiner Firmenpräsentation darstellen und Sie mit der Größe und dem Erfolg des Betriebs beeindrucken.
  • Er hält ständig den Blickkontakt und starrt Ihnen unentwegt in die Augen.
  • Er macht abwertende Bemerkungen über die Konkurrenz.
  • Er betont immer wieder den Erfolg des Unternehmens und ganz besonders den eigenen Anteil daran.
  • Er hat einen sehr hohen Anspruch an Ihre beruflichen Qualifikationen und prüft Ihren Lebenslauf ungewöhnlich intensiv.
  • Er verlangt ein hohes Engagement und betont nachdrücklich, dass Sie sich voll und ganz auf die Firma konzentrieren sollten.
  • Wenn er an Ihnen interessiert ist, macht er verlockende Versprechungen, die er später meistens jedoch nicht einhält.
  • Das Gespräch wird durch Telefonate oder durch die Sekretärin immer wieder gestört.
  • Auf Ihre Fragen antwortet er nur kurz oder nimmt das Thema als Anlass, ausschweifend zu werden.
  • Er zeigt wenig Resonanz auf Ihre Darstellungen. Sie können nicht einschätzen, ob das, was Sie äußern, beim Vorgesetzten auf Zuspruch oder Ablehnung trifft.
  • Hat er Interesse an Ihrer Einstellung, wird er Ihnen in irgendeiner Weise schmeicheln.
  • Er drängt auf eine schnelle Entscheidung.
  • Sie haben das Gefühl, von oben herab behandelt zu werden.

Was Sie im Vorstellungsgespräch fragen sollten

Verdichtet sich der Verdacht, dass es sich bei Ihrem möglichen zukünftigen Vorgesetzten um eine Person mit starken narzisstischen Zügen handelt, dann können Sie Ihren Eindruck durch folgende Fragen überprüfen:

Was sind die aktuellen Projekte und wie sehen die Zielvorgaben aus?

Narzissten haben immer sehr ambitionierte Ziele. Meist ist der Zeitplan sehr eng, die Vorgaben sind extrem hoch und nur die besten Mitarbeiter werden rekrutiert. Ein narzisstischer Chef hat immer sehr hohe Ansprüche an seine Angestellten. Diese Erwartungshaltung wird Ihnen sicherlich in jedem Unternehmen und bei jedem Vorgesetzten begegnen. Bei einem narzisstischen Chef kann man seinen Höhenrausch allerdings oft anhand seiner Worte und derer Betonung erkennen. Er will sehr viel besser sein als alle anderen, es darf keinen über ihm geben, er will mit seinen Ergebnissen beeindrucken und lässt sich negativ über durchschnittliche oder schlechte Ergebnisse anderer aus.

Wie lange ist der Vorgesetzte bereits im Unternehmen? Wo hat er angefangen und wie war sein Karriereweg bis zur aktuellen Position?

Ein Narzisst ist in erster Linie an seinem beruflichen Fortkommen interessiert. Wechselt er rasch die Abteilung und steigt er dabei permanent auf, dann spricht dies dafür, dass er unbedingt nach oben kommen will und dabei extrem engagiert und leistungsbereit ist. Wechselt er zudem in unterschiedliche Sparten (vom Einkauf in die Logistikabteilung und dann ins Controlling), ist er weniger an der Aufgabe und dem Thema interessiert als vielmehr an einem lukrativen Job mit guter Bezahlung, reichlich Privilegien und Einfluss. Die Abteilung spielt dann weniger eine Rolle, im Vordergrund steht die eigene Karriere. 

Wie sieht der Arbeitsalltag des narzisstische Vorgesetzten aus?

Narzissten sind in der Regel Workaholics. Sie tun alles, um voranzukommen, und fordern aus diesem Grund die Belegschaft extrem. Sie machen viele Überstunden, beginnen meist sehr früh am Tag und machen nur wenig Urlaub. Oft betonen sie auch, wie voll ihr Terminkalender ist und dass sie ständig von einer Besprechung zur nächsten rennen müssen. Sie betonen ausdrücklich, dass sie vielbeschäftigt sind, wenig Zeit für Privates haben und immer im Dienst der Firma unterwegs sind. Auf diese Weise wollen sie unterstreichen, wie wichtig sie sind.

Wie hoch ist die Fluktuation in der Abteilung oder im Unternehmen?

Durch die hohen Ansprüche und Erwartungen des Narzissten und seinen Mangel an Empathie den Mitarbeitern gegenüber entsteht häufig Unzufriedenheit in seiner Abteilung, weil sich die Angestellten nicht richtig behandelt fühlen. Sie werden stark kritisiert, wenn sie ihre Vorgaben nicht erreichen oder sich nicht an seine Anweisungen halten. Sie werden sehr stark kontrolliert, damit gar nicht erst Fehler passieren können und der narzisstische Chef stets über alles informiert ist. Konkurrenzdenken in der Abteilung und unter den Kollegen wird gefördert. Die Mitarbeiter werden regelrecht bedrängt und genötigt, um die hohen Ziele zu erreichen. Ihre Arbeitskraft wird häufig bis zum Maximum ausgereizt, ohne dass die Kollegen eine entsprechende Wertschätzung dafür erhalten. Das wirkt sich in starker Unzufriedenheit aus und in einem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes.

Gibt es einen hohen Krankenstand?

Die Überbelastung der Mitarbeiter führt zu vielen krankheitsbedingten Ausfällen. Allerdings ist davon auszugehen, dass der narzisstische Chef Ihnen bei einer Frage nach dem Krankenstand keine ehrliche Antwort geben wird.

Was Sie überprüfen sollten

Sollten Sie nach wie vor unsicher sein, können Sie nach dem Vorstellungsgespräch noch Folgendes tun:

  • Beobachten Sie beim Hinausgehen die Mitarbeiter des Betriebs, sofern Ihnen welche begegnen, und achten Sie auf deren Ausstrahlung: Wirken sie angespannt, nervös, überlastet, unsicher oder unterwürfig? Oder wirken sie abgestumpft, wenig freundlich, eher nüchtern und routiniert? Mitarbeiter eines narzisstischen Vorgesetzten können besonders engagiert und beschäftigt wirken, weil sie unbedingt die hohen Ziele des Narzissten einhalten müssen und äußerst bemüht sind, nur keinen Fehler zu machen. Oder sie sind schon länger im Unternehmen, haben sich an den Narzissten gewöhnt und aus Selbstschutz ein dickes Fell zugelegt, um sich vor seelischen Angriffen zu schützen. Das macht sie im Ausdruck entsprechend reserviert, abgeklärt und kühl. Obwohl sie vordergründig ihre Aufgaben korrekt erledigen, sind sie wenig engagiert. Sie funktionieren eher so, wie es die Firmenregeln vorsehen, um sich nichts vorwerfen lassen zu können.
  • Lassen Sie sich den Betrieb zeigen und achten Sie auf das Verhalten der Mitarbeiter. Achten Sie vor allem darauf, wie sie sich verhalten, wenn ihr narzisstischer Chef vor ihnen steht. Werden sie nervös und ängstlich oder wollen sie unbedingt gefallen? Gehen sie dem Chef eher aus dem Weg oder lassen sie alles stehen und liegen, um für den Chef da zu sein? Wenn ein Chef in der Abteilung erscheint, bewirkt das natürlich immer einen gewissen Grad an Anspannung bei den Kollegen – das ist auch bei nicht narzisstischen Chefs der Fall. Tritt ein narzisstischer Chef auf, dann sind die Reaktionen in der Regel aber noch ausgeprägter: Entweder wenden sich die Kollegen ab, weil sie nicht von dem Narzissten angesprochen werden wollen und Kritik fürchten, oder sie gehen direkt auf ihn zu, um sich bei ihm beliebt zu machen.
  • Informieren Sie sich durch Pressemeldungen über den Betrieb. Hier kann man eventuell etwas über das Betriebsklima erfahren, über die Methoden, wie mit dem Personal umgegangen wird, und darüber, wie beständig das Unternehmen am Markt operiert.
  • Prüfen Sie, ob Sie im Internet oder aus anderen Quellen noch mehr Informationen über Ihren möglichen zukünftigen Chef bekommen können.

Ein narzisstischer Chef lockt im Vorstellungsgespräch meistens mit großen Versprechungen, interessanten Projekten und einem lukrativen Posten. Dabei wird in der Regel alles ein wenig zu blumig dargestellt, nur um den Kandidaten zu locken. Der geforderte Arbeitseinsatz wird als anspruchsvoll, aber moderat dargestellt, das Klima unter den Kollegen wird lobend hervorgehoben, Weiterbildungsmaßnahmen werden versprochen und eine stattliche Bezahlung. Meist finden sich dann im Arbeitsvertrag so manche unschönen Klauseln, die vorher nicht erwähnt wurden.

Die genannten Punkte können ein Hinweis auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sein, sie beweisen sie aber nicht. Ein Merkmal allein macht noch keinen Narzissten aus, es müssen erst mehrere Faktoren zusammenkommen. Da sich ein Narzisst sehr geschickt verstellen kann, wenn er Ihre Gunst gewinnen will, kann es mitunter schwierig sein, in einem Vorstellungsgespräch seine wahre Gesinnung zu erkennen. Daher ist es wichtig, sich ein waches Auge für das Umfeld zu bewahren und ein Ohr für scheinbare Nebensächlichkeiten.


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Veröffentlicht in Beruf und Führung
5 Kommentare zu “Wie man einen narzisstischen Chef im Vorstellungsgespräch erkennen kann
  1. Karitopo sagt:

    Leider erkenne ich in diesen Beschreibungen umfänglich meine alten Chefs wieder. Traurig aber wahr, wenn die Arbeit eigentlich Spaß macht. Insofern vielen Dank für diese Zusammenfassung an Tipps, mit denen ich mein nächstes Arbeitsumfeld auf Herz und Nieren prüfen werde. Es sind ein paar Hinweise dabei, die ich noch nicht so auf dem Schirm hatte und mit berücksichtigen werde!

  2. Lilia sagt:

    Habe auch unter einer narzisstischen Chefin gelitten und war am Ende im Burnout und voller Selbstzweifel. Das Verhalten von weiblichen narzisstischen Chefinnen ist nach meiner ERfahrung viel subtiler und schwerer erkennbar. Das sind weniger Statussymbole wie Auto und großes Büro und so. Eher sowas wie: ich habe einen Coach mit 3 Doktortiteln. Der wird dann natürlich auch gegaslightet und denkt am Ende, dass in der Firma nur Idioten rumlaufen, außer die Chefin natürlich.
    Es ist unglaublich schwer, solche etwas verdeckteren Narzissten beim ersten Gespräch zu erkennen. Aus meiner Erfahrung ist es so, dass man mit etwas Abstand zum Gespräch (also z.B. am Abend oder am nächsten TAg) ein komisches Magengrummeln bekommt. Was ich inzwischen sehr ernst nehme.

  3. Lieber Sven,
    ich bin seit ein paar Tagen auf deinem Blog – und komme nicht mehr so ganz los davon … 😉 Zwar beschränkt sich meine eigene Erfahrung mit Narzissten auf das „alltägliche Leben“, sprich, ich habe keine therapeutische Sitzung notwendig, um tiefe Wunden zu heilen, doch deine Seite ist wirklich unglaublich nützlich und öffnet die Augen. Ich habe in der Tat lange Zeit einen narzisstischen Chef gehabt, 3 Jahre lang, dem ich als Sekretärin nie etwas Recht machen konnte, was letzten Endes dazu führte, dass ich den Beruf wechselte. Doch wäre ich früher auf das Thema gestoßen, so wie du es präsentierst, hätte ich innerlich in besseres Rüstzeug gehabt. (Und hätte vermutlich trotzdem den Beruf gewechselt.) *lach* Herzlichen Dank für dein Engagement. Dein Artikel wurde soeben von mir geteilt.
    Liebe Grüße, Tanja

  4. Marina sagt:

    Der Rückmeldung von Stella kann ich mich anschliessen.
    Ist bei meinem Chef gensu so. Es könnte nach der Beschreibung auch mein Chef sein.

  5. Stella sagt:

    Zum Stichwort „Workalholic“: mein Ex-Mann ist auch Narzisst und Chef. Bei ihm zeigt sich sein Narzissmus jedoch nicht im Workaholic-Sein, sondern er ist vielmehr eher selten im Büro, fängt spät an und geht früh, nimmt sich frei, wann er will und gönnt sich sehr viel Freizeit, um so zu demonstrieren „ich lasse für mich arbeiten“ oder „ich racker mich nicht wie alle anderen Idioten ab und verdiene trotzdem wahnsinnig viel Geld“ und „ich bin mein eigener Herr und mache, was ich will“. Narzissmus kann sich also auch so zeigen! Das würde er allerdings bei einem Vorstellungsgespräch wohl nicht so darstellen…

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