Narzissten suchen sich Freunde oder Bekannte, die ihr Ansehen und ihren Status unterstreichen. Bei lokalen Größen ein und aus gehen ist für einen Narzissten Pflicht: Frühstück mit dem Bürgermeister, Golfen mit dem Bankdirektor, der Exklusivtermin beim Starfriseur nach Feierabend. Sie setzen gegenüber anderen gern in Szene, mit welchen wichtigen Persönlichkeiten sie ihre Zeit verbringen. Der Mensch, der sich hinter dem Freund oder Bekannten verbirgt, ist dem Narzissten als solcher weniger wichtig. Im Vordergrund steht nur der eigene Nutzen, den er aus der Bekanntschaft ziehen kann.
Der Narzisst umgibt sich vorrangig mit Bewunderern. Er achtet darauf, dass nur solche Personen in seinem näheren Bekanntenkreis sind, die ihn respektieren und achten. Sie sollen zu dem Narzissten aufschauen und ihn für seinen Erfolg, seine Leistungen und seine Einzigartigkeit bewundern. Der Kontakt zu Personen, die den Narzissten nicht zu schätzen wissen, wird vermieden. Im Wesentlichen kann man den Freundes- und Bekanntenkreis eines Narzissten in folgende Gruppen einordnen:
- Menschen, die ihn „schmücken“: Das können Spezialisten sein, denen der Narzisst in einem speziellen Fachgebiet nicht gewachsen ist und die in ihrer Domäne eine Koryphäe darstellen, z. B. der Staranwalt oder der Wunderdoktor. Oder es können Prominente oder andere Lichtgestalten sein, denen ohnehin keiner das Wasser reichen kann, z. B. Supertalente wie Boris Becker oder Franz Beckenbauer. Hier will der Narzisst nicht besser sein, sondern er will mit der persönlichen Bekanntschaft zu solchen Größen glänzen und beeindrucken. Er weiß nur zu gut, dass solche Menschen nicht jeden an sich heranlassen. Deshalb ist es für den Narzissten ein besonderes Privileg und ein Beleg für seine Einzigartigkeit, mit solchen Persönlichkeiten verkehren zu dürfen. Meist will sich ein Narzisst auch mit einem attraktiven Lebenspartner schmücken – ein Kriterium, das bei der Auswahl des Partners stets einen wichtigen Stellenwert hat.
- Menschen, die ihn bewundern: Der Narzisst will nur solche Personen in seinem näheren Bekanntenkreis haben, die ihn gebührend respektieren oder bewundern. Menschen, die ihn kritisieren oder die nicht seinem Meinungsbild folgen, kann er nicht dulden. Solche Personen machen nur unnötig Ärger und lassen ihn am Ende schlecht aussehen. Auch Neider bekommen keinen Zutritt zu seiner Entourage, weil sie am Ende nur behaupten, dass alles gar nicht so toll ist, wie er es darstellt.
- Menschen, die die Drecksarbeit für ihn machen: Ein Narzisst braucht Menschen um sich, die ihm die alltägliche Arbeit abnehmen. Er will sich nur um die für ihn wichtigen Dinge im Leben kümmern, eben darum, womit er glänzen kann. Alles andere, dass ihn nicht im Rampenlicht stehen lässt, sollen andere für ihn erledigen. Diese Personen sollten aber möglichst pflegeleicht und fügsam sein. Er mag keine Menschen um sich herum, die immer alles besser wissen und seine Meinung nicht berücksichtigen oder hinterfragen.
- Menschen, die ihm hilfreich sind: Er bindet Menschen an sich, die ihm helfen sollen, seine Ziele zu erreichen. Dies kann auch nur eine vorübergehende Bekanntschaft sein, die eben so lange dauert, bis das Ziel erreicht ist und die Person ihren Nutzen für den Narzissten verloren hat. Es kann z. B. sein, dass er die Bekanntschaft zu einem Menschen nur sucht, weil er über ihn einen anderen wichtigen Menschen kennenlernen will oder weil diese Person ihm den Zutritt zur oberen Gesellschaft oder zu einem anderen für ihn interessanten Kreis ermöglichen kann. Diese Zweckbekanntschaft wird nach der Erfüllung unverzüglich abgebrochen, ein weiterer Kontakt findet nicht mehr statt. Nicht selten äußert sich der Narzisst im Nachhinein sogar abfällig über seine Gehilfen, obwohl diese ihm in guter, freundschaftlicher Absicht dienlich waren.
- Der Freundes- und Bekanntenkreis des Partners: Lebt der Narzisst in einer Beziehung, wird er auch den Freundes- und Bekanntenkreis seines Partners nach diesen Kriterien durchleuchten. Sind hierunter Personen, die dem Narzissten auf irgendeine Art und Weise gefährlich werden könnten, oder Personen, die für ihn keinen Nutzen darstellen, wird er den Freundes- und Bekanntenkreis seines Partners abwerten und Treffen mit diesen Personen von vornherein meiden. Nicht selten müssen Partner von Narzissten feststellen, dass sich der über Jahre aufgebaute, vertrauensvolle Freundeskreis nach und nach auflöst, bis schließlich niemand mehr übrigbleibt. Der Freundeskreis des Narzissten hingegen wird sorgsam gepflegt. Der Narzisst glaubt, dass sich in seinem Freundes- und Bekanntenkreis ohnehin die interessanteren Menschen befinden und dass sich der Partner bislang nur mit unterbemittelten Personen abgegeben hat.
Der Narzisst hat demnach keine Gleichgestellten in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. Er umgibt sich mit Menschen, die entweder selbst großartig sind, ihn bewundern oder ihm in irgendeiner Weise dienlich sind. Dabei teilt er seinen Freundeskreis in zwei Gruppen ein: eine Gruppe von eng Vertrauten, die er sehr dicht an sich heranlässt und in seine tiefste Gedankenwelt einweiht, und eine Gruppe oberflächlicher Bekannter, die ihm nichts bedeuten.
Mit der ersten Gruppe braucht er nicht zu konkurrieren, weil er weiß, dass er deren Mitgliedern überlegen ist und sie ihm treu folgen. Er weiß, dass er ihnen vertrauen kann und dass diese Personen mit vertraulichen Informationen, die er ihnen gibt, bedachtsam umgehen und nicht gegen ihn verwenden. Sie können sich in den Narzissten hineinversetzen und seine Ansichten nachvollziehen. Sie verstehen ihn. Die zweite Gruppe besteht überwiegend aus oberflächlichen Bekanntschaften, die weder sein Vertrauen genießen noch in sein Innenleben eingeweiht werden. Es sind Menschen, denen er sich als erfolgreich und gebildet präsentiert und eine heile Welt vorgaukelt.
Die „beste Freundin“ oder den „besten Freund“ gibt es nicht
Das, was man landläufig unter einer engen Freundschaft versteht, kennt der Narzisst nicht. Es gibt keinen „Blutsbruder“ und keine „Busenfreundin“, mit dem oder der er alles teilt und auf immer und ewig durch dick und dünn geht. Auch hier wird der Freund oder die Freundin nur benutzt. Er oder sie darf sich solange „bester Freund“ oder „beste Freundin“ des Narzissten nennen, wie er oder sie sich seinen Regeln unterwirft und ihm nach dem Munde redet. Den größten Fehler, den ein Freund machen kann, ist ihm die blanke Wahrheit ins Gesicht zu sagen – obwohl es doch unter besten Freunden möglich und auch erwünscht sein sollte, offen und ehrlich miteinander umzugehen. Nicht so bei einem Narzissten! Wer ihn kritisiert und nicht seiner Meinung ist, wird ausgewechselt.
Daher gibt es im Leben von Narzissten keine echten und ehrlichen freundschaftlichen Beziehungen. Sie gehen nur oberflächliche Beziehungen zu Menschen ein, die je nach Situation für sie austauschbar sind. Sie sind „Objekte“, die sie zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Anerkennung brauchen. Nur nach diesem Kriterium wählen sie ihren Freundes- und Bekanntenkreis aus und erhalten ihn nur solange, wie dieser ihnen nützlich erscheint.
Ein Narzisst entpuppt sich meist als „falscher Freund“
Aufgrund ihrer starken kommunikativen Fähigkeiten gelingt es Narzissten meist schneller als anderen, Kontakt und Anschluss zu interessanten Menschen zu finden. Sie erobern schneller Herzen und kommen durch ihr offenes und charmantes Wesen rasch mit anderen in ein anregendes Gespräch. Am Anfang werden sie von den meisten als sehr sympathisch eingestuft, was sich aber im Laufe der Bekanntschaft oder Freundschaft wandelt. Je länger man mit einem Narzissten zusammen ist, desto eher wird man auch in Berührung mit seinen dunklen und fragwürdigen Seiten kommen. Der Narzisst kann diese Seiten auf Dauer nicht verbergen. Dann kann es sein, dass die anfängliche Sympathie ins Gegenteil umschlägt. Das ist auch der Grund, weshalb Narzissten selten echte Freunde fürs Leben finden und ihr Freundeskreis einer überdurchschnittlichen Fluktuation unterliegt.
Die meisten, die zunächst die Bekanntschaft und später vielleicht eine Freundschaft mit einem Narzissten eingehen, müssen nach einer gewissen Zeit feststellen, dass es sich bei ihm um einen „falschen Freund“ handelt. Er wird in schwierigen Stunden, in denen er auf den Beistand angewiesen wäre, nicht die erhoffte Zuwendung erfahren, wenn es für den Narzissten keinen Vorteil bringt. Kann dieser sich hingegen mit selbstloser Hilfe bei Freunden und Bekannten beliebt machen, dann wird er nicht nur seine Hilfe anbieten, sondern er wird das Problem zu seiner Angelegenheit machen und dem Betroffenen in fast schon übertriebener Art und Weise zur Seite stehen. Das Ganze bekommt etwas Überzogenes. Es geht eben niemals um die Person und um deren Bedürfnisse, sondern in erster Linie um die Selbstdarstellung des Narzissten.
Es kann auch sein, dass sich der Narzisst sehr schnell von diesem Freund abwendet, wenn der in eine Schieflage gerät. Er möchte dann gar nicht erst mit dieser Person in Verbindung gebracht werden. Sie hat keinen Nutzen mehr für ihn und weitere Kontakte würden ihm eher schaden. Viele müssen dann erkennen, dass sie in dem Narzissten einen „falschen Freund“ gefunden haben: Solange alles so ist, wie er es wünscht, hält der Kontakt und kann zuweilen angenehm sein. Wird es ungemütlich und unvorteilhaft für ihn, zieht er weiter und lässt die angeblichen Freunde fallen.
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