Narzissten in Führungspositionen

Narzissten in Führungspositionen, ausgestattet mit unbegrenzter Macht, können eine tickende Zeitbombe für ein Unternehmen sein. Aufgrund ihrer Überheblichkeit neigen sie dazu, unnötige Risiken einzugehen. Dabei geht es ihnen nicht um das Unternehmen, auch wenn sie dies nach außen vorgeben. Es geht ihnen in erster Linie um ihre eigene Macht, ihr eigenes Ansehen und ihr eigenes Wohlergehen. Narzissten sind nicht für die Interessen des Unternehmens da, sondern das Unternehmen muss für ihre Interessen da sein.

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Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur bringen optimale Eigenschaften mit für die Ausübung einer Führungsposition, die es ihnen ermöglichen, in einem Unternehmen die Karriereleiter schnell nach oben zu klettern: Sie sind extrem ehrgeizig und leistungsorientiert, willensstark und widerstandsfähig. Für ihren Erfolg tun sie alles und sind bereit, große Strapazen auf sich zu nehmen. Dabei sind sie kommunikativ und redegewandt, intelligent und schlagfertig, überzeugend und begeisternd. Sie können sich perfekt inszenieren und andere Menschen gekonnt mit ihrem Auftreten beeindrucken. Sie haben ein selbstsicheres Auftreten, scheinen in jeder Situation zu wissen, was richtig ist, und ahnen instinktiv, was andere von ihnen erwarten und was sie ihnen geben müssen.

Narzissten sehen in der Bewältigung von Herausforderungen und riskanten Unternehmungen vor allem die Möglichkeit, sich hervorzutun und vor anderen zu glänzen, um deren Bewunderung zu bekommen. Sie haben von vornherein weniger Angst vor Fehlern und machen sich weniger Gedanken über die möglichen Folgen eines Scheiterns als andere. Sie sind einfach von sich überzeugt und strotzen geradezu vor Selbstbewusstsein. Deshalb gehen sie entschlossen vor und haben niemals Zweifel an ihrer Meinung und an ihren Entscheidungen.

Das heißt aber nicht, dass sie deswegen talentierter oder besser sind als ihre Kollegen. Sie können nur lauter und eindrucksvoller „klappern“, fallen daher schneller auf und erscheinen auf diese Weise wichtiger und kompetenter, als sie in Wirklichkeit sind. Die Folge ist meist, dass andere aufgrund der souveränen Ausstrahlung des Narzissten zurücktreten und diesem bereitwillig das Feld überlassen, weil sie glauben, dass er es besser könne als sie. Der Narzisst übernimmt gerne schwierige Aufgaben oder hohe Ämter – jedoch weniger aus Verantwortungsbewusstsein, sondern eher, weil er sich geschmeichelt fühlt und meint, anderen damit beweisen zu können, wie großartig er ist.

Der Narzisst hat kein Einfühlungsvermögen

Im Kampf um Macht und Unabhängigkeit gehen Narzissten wenig zimperlich mit ihren Mitmenschen um. Wenn es um ihren persönlichen Vorteil, ihre Karriere, ihr Image und den Ausbau ihres Einflusses geht, können sie extrem rücksichtslos und kaltherzig vorgehen – auch wenn sie sich vordergründig charmant und hilfsbereit zeigen. Mitarbeiter sind für sie nur Lakaien, die sie für ihre ehrgeizigen Ziele einspannen, ein Kostenfaktor, der einen größtmöglichen Nutzen einfahren muss. Da Narzissten stets eine Aura der Unnahbarkeit um sich haben und emotionalen Abstand zu ihren Mitmenschen halten, können sie so gewissenlos gegenüber Mitarbeitern agieren und diese wie Figuren auf einem Schachbrett hin und her schieben.

Sollten Narzissten selbst einen Vorgesetzten haben oder einem Vorstand oder Aufsichtsrat Bericht erstatten müssen, werden sie sich dort stets von ihrer allerbesten Seite zeigen. Sie werden sich ihrem Vorgesetzten als unkomplizierte, lösungsorientierte und empathische Führungskraft präsentieren, die keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie die gewünschten Vorgaben in Rekordzeit erreichen wird. Dabei geben sich Narzissten sehr viel Mühe, ihre zum Teil zweifelhaften Methoden sorgfältig zu verbergen und es so aussehen zu lassen, als könnten sie geradezu Wunder vollbringen.

Haben Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur einen Vorgesetzten, den sie als schwach erleben, werden sie versuchen, diesen ohne jegliche Skrupel auszustechen und von ihrer Position zu stoßen. Das wollen sie zwar bei einem stärkeren Vorgesetzten auch, nur merken sie, dass sie sich in diesem Fall vorsichtiger verhalten müssen, weil sie es mit einer Autorität zu tun haben, die sich nicht scheuen wird, den Narzissten im Falle eines Scheiterns seines Amtes zu entheben. Erfolgreiche Narzissten streben immer danach, der erste Mann zu sein – und wenn sie dieses Ziel nicht erreichen, entwerten sie ihre Vorgesetzten hinter deren Rücken und protzen vor ihren Kollegen, dass sie es besser machen könnten.

Die Mitarbeiter leben unter Daueranspannung

Nach unten aber wird getreten, was das Zeug hält. Bei Vorgesetzten mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur muss man immer davon ausgehen, dass sie ihre Mitarbeiter unmittelbar kritisieren und zurechtweisen, wenn diese auch nur die kleinsten Fehler machen und nicht in ihrem Sinne funktionieren. Da ein Narzisst ausschließlich Perfektion erwartet und keinerlei Spielraum gewährt, müssen Mitarbeiter damit rechnen, dass sie unmittelbar mit harter Kritik, verletzenden Beleidigungen, übertriebenen Belehrungen, massivem Druck und im schlimmsten Fall mit Bestrafungen (z. B. Versetzungen oder Kündigungen) konfrontiert werden, wenn sie den Vorstellungen des Narzissten nicht gerecht werden.

Damit der Erfolg sichergestellt ist, müssen sich Narzissten überall einmischen und alles haarklein kontrollieren – schließlich steht ihr Ansehen auf dem Spiel. Daher gewähren sie ihren Mitarbeitern so gut wie keinen Raum zur eigenen Entfaltung. Autonomes Vorgehen und selbstständige Entscheidungen werden nicht geduldet, sondern es wird schriftlich jeder Handgriff genauestens geregelt. Sind situativ Abweichungen von den Richtlinien notwendig oder sogar sinnvoll und müssen Mitarbeiter eine nicht genehmigte Entscheidung treffen, können sie davon ausgehen, vor der gesamten Belegschaft bloßgestellt zu werden, indem man ihnen vorwirft, durch eigenmächtiges Verhalten das Unternehmen zu gefährden. So werden aus qualifizierten Fachleuten unmündige Mitarbeiter, die entweder wie Roboter funktionieren und das Denken verlernen oder früher oder später das Unternehmen verlassen.

Untergebene von narzisstischen Vorgesetzten lernen schnell, dass Eigenständigkeit und Kreativität nicht erwünscht sind. Ihr Chef sagt ihnen genauestens, wie alles zu laufen hat – von ihnen wird lediglich verlangt, die Anweisungen umzusetzen. Verhalten sie sich nicht im Sinne des Narzissten oder leisten sie womöglich Widerstand, müssen sie mit unwirschen Reaktionen rechnen. In den meisten Fällen hängt ihr Arbeitsplatz von ihrer Bereitschaft zum bedingungslosen Gehorsam ab. Untergebene von narzisstischen Chefs sind daher häufig wenig motiviert, haben innerlich schon gekündigt und erledigen ihre Arbeit nur noch stumpf und routinemäßig ohne jegliche Leidenschaft.

Der narzisstische Chef wird nach und nach größenwahnsinnig

Wird der Narzisst mit der Zeit immer erfolgreicher, hat er alle seine Ziele erreicht, konnte er mit seinen herausragenden Leistungen alle anderen übertrumpfen und erfährt er von niemandem mehr Widerstand, werden seine Rücksichtslosigkeit und Risikobereitschaft immer größer. Er kommt an einen Punkt, an dem er sich für unbesiegbar hält und glaubt, Allmacht zu besitzen. Konnte er seine Mitmenschen anfänglich noch mit seinen großartigen Visionen mitreißen und begeistern, so entwickelt er später im Rausch eines Größenwahns sonderbare Fiktionen, die sich jeglichen realistischen Grundlagen entziehen.

Da er keinen Widerstand mehr erfährt und die Macht besitzt, jegliche Strategie anzuordnen und durchzusetzen, können die verrücktesten Ideen zur Umsetzung kommen, selbst wenn sie niemals Aussicht auf Erfolg haben – was unabhängige Experten in der Regel frühzeitig erkennen. Dies kann die Umsetzung allerdings meist nicht verhindern, weil auf einen solchen Hinweis so gut wie nie gehört wird. Ein Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur umgibt sich nicht mit sachkundigen Fachleuten, die ihm seine illusorischen Vorhaben ausreden und ihn vor Fehlern schützen, sondern mit Angestellten, die ihm nach dem Mund reden und ihn in allem unterstützen, was er fordert. Der Narzisst hat es dann geschafft, den gesunden Menschenverstand seiner Mitmenschen auszuschalten und seine Spinnereien ungehindert zu verwirklichen.


Autor der Webseite

Mein Name ist Sven Grüttefien. Ich bin der Verfasser dieser Webseite. Als ausgebildeter Heilpraktiker für Psychotherapie habe ich mich auf die Beratung von Menschen, die unter narzisstischen Missbrauch leiden, spezialisiert und biete zu diesem Thema zahlreiche Bücher, Coachings, Seminare und Vorträge an.

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Veröffentlicht in Beruf und Führung
5 Kommentare zu “Narzissten in Führungspositionen
  1. Monika Lang sagt:

    Den Erfahrungen von Eva kann ich mich nur anschliessen. 35 Jahre mit einem NZ verheiratet. Er ist und war die einzige Sonne auf diesem Planeten. Nur er, der Boss macht alles richtig, weiss alles und das Besser. Bis Ihm kurz vor seiner Rente Prokura entzogen. Den Vorgang hat die Geschaeftsleitung Ihm nicht mal mitgeteilt, sondern ein Kunde. Es kam bereits ein vorher in den amtlichen Nachrichten. Gott sei Dank war da schon ausgezogen. Die Aggression wollte ich nicht abbekommen. Selbstreflexion besitzen diese Menschen nicht. Schuld sind immer die Anderen. Ich kann jedem nur raten, lauft solange ihr noch laufen könnt. Die Unterhaltsklage hat drei Jahre gedauert. Richter während des Verfahrens gewechselt. Überlastete Gerichte. Heute nach fast 5 Jahren gibt er immer noch keine Ruhe. Das sind arme Kreaturen. Ich habe meine Freiheit und Kreativität wieder ohne ständigen Eier- Tanz um den Blender.

    • Lieschen Müller sagt:

      Narzisstische Persönlichkeiten in der Rolle des Vorgesetzten und/oder des Entscheiders könnte DAS Problem der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens sein. Es ist nicht nur so, dass Mitarbeiter darunter leiden sondern dass diese sich, in der Folge, intellektuell zurückziehen und nur noch Dienst nach Vorschrift erledigen. Bei Zuwiderhandlung steht der Arbeitsplatz auf dem Spiel. Die seelische Gesundheit ohnehin. Für ein dauerhaft erfolgreiches Unternehmen ist es möglicherweise entscheidend, dass sich die Mitarbeiter, vor allem außerhalb der Führungsriege, mit der Aufgabe und dem Arbeitgeber identifizieren. Da wirken sich Befristungen und Reduzierungen eher kontraproduktiv aus. Kaum ein Mitarbeiter kommt mehr richtig an, bevor die Befristung ausläuft. Es herrscht bereits ein Grundrauschen von Angst und Unsicherheit. Die ‚Produktion‘ der Ergebnisse findet weiter unten statt. Von der Qualität und dem Einsatz der Mitarbeiter hängt ein großer Teil des unternehmerischen Erfolgs ab. Mitarbeiter sind daher mehr als eine Kostenstelle und sollten sich in dem Unternehmen wohlfühlen, ankommen können und gerne alles für den Arbeitgeber tun, um dessen Erfolg zu sichern. Dafür sind schöne Worte in der Unternehmensphilosophie kaum ausreichend. Auf die Umsetzung kommt es an Eine Umsetzung, die nur sozial/emotional gesunde Führungskräfte mit ihrem Team erreichen können. Narzisstische Persönlichkeiten sind das nicht. Diese Personen. glänzen, täuschen, quälen. Unabhängig von der Pandemie: Wie viele Unternehmen haben denn Probleme mit der Wirtschaftlichkeit? Es lohnt sich, an dieser Stelle genauer hinzusehen. Zum Wohle der Unternehmen und der Arbeitsplätze.

  2. Helmut sagt:

    Ich arbeite im öffentlichen Dienst und habe mich vor einigen Jahren nichts ahnend auf eigenen Wunsch zu einem narzisstischen Chef versetzen lassen.
    In der ersten Zeit lief alles gut, mein Chef erklärte mir das Arbeitsgebiet und wie „die Welt funktioniert“. Ich war gut in meinem Job, aber je besser ich wurde, desto mehr hat mich mein Chef gedrückt, erniedrigt, schikaniert und sogar bedroht.
    Zum Glück gibt es dieses Portal (vielen Dank an Herrn Grüttefien) und ich habe erfahren, was ein Narzisst ist. Hiernach ging es mir zwar etwas besser, aber das Problem selbst wurde zunehmend schlimmer, da ich meine Meinung sage und niemandem in den Allerwertesten krieche.
    Da man solch einen Menschen schlecht oder gar nicht ändern kann, habe ich es nach wochenlanger Krankschreibung wegen Mobbing geschafft, den Bereich zu wechseln.
    Seitdem ich nicht mehr dort arbeite, ist mein Ex-Chef wie ausgewechselt und sch… freundlich zu mir. Es geht mir wieder gut und ich lebe viel ruhiger und kann bis zu meiner Pensionierung endlich meine Arbeit machen.

  3. Eva sagt:

    Mein Mann, eigentlich Rentner, arbeitet noch freiberuflich von zu Hause aus. Wie früher als angestellter Chef führt er sich auch jetzt noch auf. Ich bin Sekretärin, Dienstmädchen, Hausfrau, Putzfrau – er ist der Boss! Er bestimmt, er hat recht, nur er arbeitet, nur er kann etwas, nur er, nur er! An seiner Unordnung bin ich schuld, die Unterlagen, die er verlegt, habe ich „versteckt“ usw.usw.
    Heute wundere ich mich nicht mehr, dass seine Sekretärinnen alle innerhalb kürzester Zeit gegangen sind, nur ich als billigste Arbeitskraft muss aushalten. Nachdem nicht zu erwarten ist, dass ein Narzisst sich ändert, werde ich mich „verändern“ und mich trennen.
    Und dann wird er scheitern, und mein Mitleid wird sich auch in Grenzen halten wie bei Angelina.

  4. Angelina sagt:

    Oh ja, da erkennt man Ähnlichkeiten mit lebenden Personen.
    Irgendwann scheitern solche Existenzen ja zum Glück,
    dann wird sich mein Mitleid in Grenzen halten.

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