Vor- und Nachteile von Selbsthilfegruppen bei narzisstischem Missbrauch

In diesem Beitrag sollen die Vor- und Nachteile von Selbsthilfegruppen bei narzisstischem Missbrauch gegenübergestellt werden. Betroffene Personen sollen einen Überblick über den Nutzen eines Erfahrungsaustausches in Selbsthilfegruppen erhalten. Zudem äußern sich unterschiedliche Betreiber von aktiven Selbsthilfegruppen zu diesem Thema und stellen ihre Erfahrungen hinsichtlich der Betreuung von Selbsthilfegruppen oder -foren dar.

Vor- und Nachteile von Selbsthilfegruppen

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Selbsthilfegruppen sind freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gleiches Problem oder Anliegen haben und sich zum gegenseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch regelmäßig persönlich oder in Internetforen treffen. Betroffene und Angehörige tauschen sich über ihre Sorgen und Erlebnisse aus, geben sich gegenseitig praktische Tipps und motivieren sich untereinander mit dem Ziel, ihre persönlichen Lebensumstände zu verbessern sowie ihre Krise zu bewältigen.

Unter Gleichgesinnten finden von einem narzisstischen Missbrauch Betroffene deutlich mehr Verständnis für ihre Lage als bei einem Gespräch mit Freunden, Bekannten oder Verwandten, die meist nur wenig über narzisstische Verhaltensweisen wissen und somit die Schwierigkeiten, vor denen Betroffene in einer Beziehung mit einem Narzissten stehen, sowie die Auswirkungen des narzisstischen Missbrauchs gar nicht richtig nachvollziehen können. In Selbsthilfegruppen können Betroffene offen und vertrauensvoll von der eigenen Not berichten und dort Gleichgesinnte finden, die Ähnliches durchmachen oder bereits durchgemacht haben.

In Selbsthilfegruppen finden Betroffene den für ihre Lage nötigen Beistand und Trost. Die Krise, in der sie sich befinden, wird nicht von unwissenden Außenstehenden heruntergespielt, sondern der Missbrauch und die Folgen werden klar benannt und anhand zahlreicher persönlich erlebter Erfahrungen belegt. Das Gefühl, mit dem eigenen Kummer nicht allein zu sein, ist für Betroffene häufig schon eine sehr große Erleichterung und stellt einen stabilisierenden Faktor bei der Bewältigung ihrer Krise dar.

Weitere Vorteile von Selbsthilfegruppen:

  • Betroffene bekommen konkrete Hilfestellungen.
  • Sie können sich regelmäßig über ihr Erleben mit anderen austauschen und haben verbindliche Kontakte, an die sie sich wenden können, wenn es ihnen schlecht geht.
  • Internetforen bieten die Möglichkeit, sich sofort oder schnell an einen Gleichgesinnten wenden zu können. Betroffene müssen nicht erst auf den nächsten örtlichen Termin der Selbsthilfegruppe warten, wenn sie Sorgen haben.
  • Sie finden Wegbegleiter und vielleicht neue Freunde.
  • Sie können sich in einem geschützten Raum über ihre Ängste und Bedürfnisse austauschen.
  • Sie kommen aus der Isolation heraus und finden neue Perspektiven.
  • Sie lernen, mutig ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und Eigenverantwortung zu übernehmen.
  • Sie erhalten einen Überblick über die Chancen und Risiken bestimmter Verhaltensweisen und Bewältigungsmöglichkeiten.
  • Sie können durch die Gruppe lernen, im Alltag besser zurechtzukommen.

Nachteile von Selbsthilfegruppen:

  • Einzelne Gruppenmitglieder können die Selbsthilfegruppe als Plattform für ihre Selbstdarstellung nutzen.
  • Es besteht die Gefahr von Manipulationen und weiteren Missbrauchserfahrungen.
  • Es können falsche Informationen und Hilfestellungen weitergegeben werden.
  • Ein Gruppenmitglied kann von anderen Teilnehmern gemobbt werden.
  • Eine mangelnde Moderation der Gruppe kann zu unstrukturierten und somit unproduktiven Treffen führen.

Im Folgenden berichten einige Betreiber von Selbsthilfegruppen bei narzisstischem Missbrauch und Teilnehmer von Selbsthilfeforen im Internet über die Vor- und Nachteile von Selbsthilfe-Communities.

Artemis Sengstock von „Hilfe für Opfer von Narzissten“:

„Selbsthilfegruppen sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits halte ich sie für sehr sinnvoll, gerade für den Anfang des Begreifens von narzisstischem Missbrauch. Den Aha-Moment bekommen viele Betroffene genau dann, wenn sie sich mit anderen austauschen, die das Gleiche erlebt haben. Sie merken, dass sie damit nicht allein und somit nicht verrückt sind. Für das Erkennen also finde ich sie sehr wichtig und auch für den Austausch. Das gibt Kraft, die nächsten Schritte zu gehen.

Jetzt kommen wir aber zu den Nachteilen: Jene, die dann nicht die weiteren Schritte gehen, wie z. B. die Trennung, Suche nach einem Therapeuten oder nach lokalen Selbsthilfegruppen, neigen oft dazu, in einem ewigen Zirkel festzuhängen. Sie verbringen Jahre in solchen Gruppen, um sich gegenseitig zu bemitleiden. Sie bleiben aber in den Beziehungen und leiten keine weiteren Schritte ein, um ihr Leben zu verändern. Dann sind solche Gruppen eher kontraproduktiv. Wenn man den Missbrauch erkannt hat, darf man in die Aktion kommen und entweder daran arbeiten, die Beziehung/Konstruktion zu verlassen, und/oder sich gleichzeitig einen Therapeuten (wenn nötig) suchen.“

Weitere Informationen:

Webseite: https://hilfefueropfervonnarzissten.com/

Selbsthilfegruppe: https://www.facebook.com/groups/2168319366600584/

 

Verein emLife:

„In unserer Selbsthilfegruppe schließen sich Betroffene zusammen, um sich über ihre Erfahrungen mit narzisstischen Personen (in Partnerschaft und Familie) auszutauschen. Manche Teilnehmerinnen fühlen sich das erste Mal richtig verstanden, wenn sie über den Missbrauch sprechen. Endlich kann/darf über die Gewalt gesprochen werden, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, warum man diese so lange ertragen hat oder erträgt. Der Erfahrungsaustausch mit anderen wird als große Erleichterung wahrgenommen. Die Frauen gehen nach eigenen Angaben gestärkt und befreiter nach Hause und bewältigen ihren Alltag besser.

Während viele Frauen regelmäßig an den Treffen teilnehmen, kommen manche nur ganz sporadisch vorbei. Im Durchschnitt sind die Teilnehmerinnen 2 Jahre bei uns. Je mehr die Heilung voranschreitet, desto seltener werden auch die Besuche, hören aber fast nie ganz auf. Zu unseren Jahrestreffen kommen beispielsweise auch Frauen, die längst schon wieder in glücklichen Beziehungen verweilen. In der Zeit der Treffen entsteht eine große Verbundenheit, weil alle mehr oder weniger das gleiche Gefühl antreibt. Die Gruppendynamik funktioniert sehr gut unter diesem Gesichtspunkt.

Außerdem achten wir gegenseitig darauf, dass die Grenzen einer Selbsthilfegruppe nicht überschritten werden. Es werden immer wieder neue und alte Therapien vorgestellt, die Hilfe und Linderung bringen. Ich sehe die Gruppentreffen nicht als alleinige Heilungschance, sondern als eine sinnvolle Begleitung zum Heilungsprozess.“

Webseite des Vereins emlife: www.em-life-forum.de/selbsthilfegruppen.html

 

Thea  – Mitglied der Selbsthilfe-Community von „Umgang-mit-Narzissten“:

„Von Selbsthilfegruppen, die aus gemischten Gruppen von Betroffenen und diagnostizierten Personen mit NPS bestehen, würde ich dringend abraten. Der Austausch in solchen Gruppen führt häufig zu Eskalationen und kann Betroffene – je nach psychischer Verfassung – retraumatisieren. Administratoren greifen viel zu selten ein und Betroffene machen die Erfahrung, erheblich angegangen zu werden. Ebenfalls würde ich von Gruppen mit einer großen Mitgliederzahl von mehreren Tausend abraten. Das Risiko, dass sich unter Betroffene auch Narzissten mischen ist deutlich eher gegeben.

Persönlich habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht in der Selbsthilfe-Community „Umgang-mit-Narzissten“. Die Betroffenen pflegen einen freundlichen und unterstützenden Umgang miteinander. Sollte sich gelegentlich – selten – ein „Irrläufer“ unter die Betroffenen mischen wollen, so wird dieser meistens recht schnell erkannt und zügig zum Ausgang begleitet.“

Forum: https://forum-umgang-mit-narzissten.de/

 

Elena Digiovinazzo von „Christen helfen Christen im Umgang mit Narzissten“:

„Diese Gruppe soll Christen einen geschlossenen Raum bieten, in welchem sie sich gegenseitig über ihre Situation mit narzisstisch gestörten Menschen in jeglichen Beziehungen austauschen können. Anhand von Gottes Wort und durch die Erfolgserfahrungen der verschiedenen Gruppenmitglieder soll einander gegenseitig ermutigt werden. Auch kann man hier Gebetsanliegen zu der Thematik äußern.

Vorteile: gegenseitige Unterstützung durch das Gebet und die Erweiterung der Perspektive durch Betrachtung des Geschehens aus christlich-spiritueller Sicht.  Nachteile: Gruppe ist nur virtuell erreichbar und man braucht einen Facebook-Account“

Link zur Selbsthilfegruppe: Christen für Christen im Umgang mit Narzissten

Elena Digiovinazzo ist die Autorin des Buches „Verlorenes Ich – Ein Essay zur narzisstischen
Persönlichkeitsstörung“

 

Bitte teilen Sie in einem Kommentar mit, welche Selbsthilfegruppen Sie kennen und welche Erfahrungen Sie damit gemacht haben!


Selbsthilfe-Community

Die Informationsplattform www.umgang-mit-narzissten.de bietet für von narzisstischen Missbrauch Betroffene eine Selbsthilfe-Community an, in der sich Gleichgesinnte untereinander vernetzen und sich über ihre Erfahrungen im Umgang mit Narzissten austauschen können.

                                                                                        Hier geht es zum Forum                                                                                  


Veröffentlicht in Hilfe für Opfer von narzisstischen Missbrauch
3 Kommentare zu “Vor- und Nachteile von Selbsthilfegruppen bei narzisstischem Missbrauch
  1. claudi sagt:

    verein em-life
    Ich habe den Absprung vom Narzissten mithilfe einer sehr guten Therapeutin und der o.g. Selbsthilfegruppe geschafft. Bei mir war allerdings die Trennung auch schon 1 Woche alt, als ich zum ersten Mal in die Gruppe kam. Aus der Gruppe heraus haben sich viele wertvolle Freundschaften mit Frauen, die ähnliches erlebt haben, entwickelt. Nach einem Zeitraum von 1 Jahr wurde die Gruppe für mich nicht mehr hilfreich, da es dann bei mir darum ging, mehr an mir selbst zu arbeiten und meine eigenen Themen, die mich in die Abhängigkeit geführt haben, anzuschauen. Leider hat sich auch nach längerer Zeit bei einigen Teilnehmerinnen herausgestellt, dass sie die Gruppe nur genutzt haben, um Ballast abzuladen und dann weiterhin im Kontakt mit dem Narz zu sein. Einige tatsächlich über mehrere Jahre aus Gründen, die vorgeschoben waren, wie z.B. „wenn ich mich trenne, schenkt der Narz mir kein neues Auto mehr, renoviert das Haus nicht,finanziert unserer 25jährigen Tochter nicht mehr das Studium, etc.“ Diese Frauen waren keine Unterstützung, sondern eher ein Ballast für die, die wirklich HILFE benötigten, um aus den Fängen des Narz zu entkommen.

    • Lilli sagt:

      Hallo,

      bevor ich draufkam,
      dass ich es mit Narzissmus und Ausnutzenlassen zu tun hatte,
      war ich wegen depressiven Verstimmungen über ein Jahr bei der anonymen Selbsthilfegruppe EA Emotions Anonymus.
      Die Teilnahme und das 12 Schritte- Programm taten mir gut. Als es mir besser ging störten mich die gruppendynamischen Nachteile, wie oben im Text erwähnt und ich machte eine Psychotherapie,
      später ging ich immer wieder zur Familienberatungsstelle, wo ich immer die Möglichkeit hatte und habe, zu kommen, was immer eine gute Unterstützung für mich bedeutete.

      • Lilli sagt:

        Ich finde die sog. ’sieben Schritte“ der oben vorgestellten Selbsthilfegruppe ‚emLife‘ sehr gut.
        Ähnlich wie die zwölf Schritte von EA,
        die wiederum zurückgehen auf die zwölf Schritte von AA,
        konzentriert man sich damit auf sich selbst-
        und grenzt sich vom anderen nach und nach gesund ab.
        Wenn man warum auch immer zusammenbleibt,
        finde ich Sven Grüttefiens ‚Umgang mit Narzissten‘ hier,
        sehr hilfreich.

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