Die Distanzlosigkeit eines Narzissten

Narzissten sind häufig übergriffig und grenzüberschreitend. Sie nehmen auf die Meinung, Bedürfnisse, Gewohnheiten und Rechte anderer Menschen wenig Rücksicht und mischen sich ungefragt in deren Angelegenheiten ein, zwingen ihnen ihre Vorstellungen und Wünsche auf oder vergreifen sich ohne vorheriges Einverständnis an deren Besitz. Ihr soziales Kontaktverhalten ist häufig von einer auffälligen Distanzlosigkeit gekennzeichnet.

Die Distanzlosigkeit eines Narzissten

Bild: © caftor – 123rf.com

Ein Narzisst kann sich seinen Mitmenschen hemmungslos aufdrängen, sie in ein unerwünschtes Gespräch verwickeln und unverblümt sowie ungefragt seine Meinung über andere oder bestimmte Umstände äußern, er weiß zu allem etwas zu sagen und verrät ungeniert intime Details über sich oder andere. Dabei fragt er nicht, ob seine Anwesenheit oder seine Äußerungen überhaupt erbeten sind – er legt einfach los. In der Folge hält er sein Gegenüber mit seinem Redeschwall gefangen und gibt ihm nicht die Möglichkeit, sich aus der verbalen Umklammerung zu befreien.

Häufig betritt er auch einfach einen Raum, ohne vorher anzuklopfen, erscheint viel zu früh zu einer Verabredung und erwartet, dass der andere sofort Zeit für ihn hat, oder er setzt sich einfach an einen Tisch und beteiligt sich aktiv an einem privaten Gespräch, bei dem er alles andere als willkommen ist. Der Narzisst hat auch keine Scheu, irgendwelche Schränke zu öffnen, in Akten und Dokumenten herumzublättern oder die Inhalte fremder Handys anzuschauen, ohne dabei auf die Idee zu kommen, sein Verhalten könnte taktlos sein. Er bedient sich ganz frech an allem, was sich in seinem Umfeld befindet, so als würde es ihm gehören oder als wäre er der Mittelpunkt von allem.

Auch ist es für ihn ganz selbstverständlich, dass er zu den unmöglichsten Zeiten anruft oder einfach auftaucht und die Hilfe von anderen einfordert. Er gibt vor, dass seine Angelegenheit äußerst dringlich sei, und erwartet, dass seine Mitmenschen unverzüglich alles stehen und liegen lassen und nur noch für ihn da sind. Der Narzisst konfrontiert sein Umfeld mit Forderungen, die unangemessen oder regelrecht unverschämt sind, und stellt dabei noch deren Erfüllung als Kleinigkeit dar.

Auf bestimmende und energische Art greift er unmittelbar in ein Geschehen ein, reißt anderen alles aus den Händen und macht herablassend vor, wie etwas zu erledigen ist. Lauthals beschwert er sich dann über die angebliche Unfähigkeit seiner Mitmenschen. Auch neigt er vorschnell zu unziemlichen körperlichen Berührungen, legt einfach seinen Arm um die Schultern des anderen oder hält stundenlang dessen Hand, ohne zu bemerken, wie unwohl sich der andere dabei fühlt. Der Narzisst meint, sich alles erlauben zu können, stellt daher ungehemmt Körperkontakt her, wirft anzügliche Blicke oder macht unverschämte Äußerungen.

Der Narzisst ignoriert die Grenzen seiner Mitmenschen

Auch kann ein Narzisst sein Gegenüber schamlos ausfragen, um von diesem vertraulichste Informationen zu bekommen oder die Klärung eines verwickelten Sachverhaltes herbeizuführen. Selbst wenn sein Gegenüber partout nicht mit ihm reden will, hakt der Narzisst unablässig nach, lässt sich nicht abwimmeln und wundert sich noch darüber, warum sich der andere derart verschließt. Am Ende wird der Narzisst sogar wütend und hält dem anderen seine störrische Verschwiegenheit als mangelnde Offenheit vor.

Das Kontaktverhalten des Narzissten ist aggressiv, aufdringlich, anstößig und penetrant. Dabei hat der Narzisst selbst überhaupt nicht das Gefühl, plump und distanzlos zu sein, und ist oft verblüfft, wenn man ihn auf sein unpassendes Verhalten anspricht. Möglicherweise geht er auch hochnäsig über den Hinweis hinweg, indem er sein übergriffiges Verhalten entweder einfach fortsetzt oder dem anderen unterstellt, zu empfindlich oder verklemmt zu sein.

Der Narzisst nimmt keine Rücksicht auf das gegenwärtige Befinden seiner Mitmenschen. Es ist ihm nicht möglich, zu erspüren, ob seine Anwesenheit, seine Anmerkungen oder sein Beitrag erwünscht ist und auf Anklang stößt. Jeder andere würde zunächst fragen, ob er sich dazugesellen darf oder ob er stört. Und wenn er an einem Gespräch teilhaben darf, würde er vorerst zuhören und sich erst einmal ein Bild von der Lage machen. So aber nicht der Narzisst – dieser legt sofort ungefragt los. Er hat keine Kontrolle über sein Verhalten und kann es nicht adäquat einschätzen – im Gegenteil: In seiner Selbstherrlichkeit glaubt er, andere entweder mit seinem Beitrag zu beglücken oder über deren Zeit und Eigentum freizügig verfügen zu können.

Warum verhält sich der Narzisst distanzlos?

Distanzlosigkeit bedeutet, ohne vorherige Abstimmung eine soziale Interaktion mit einer anderen Person einzugehen und über deren explizite Verweigerung einfach hinwegzugehen. Es wird nicht kritisch abgewogen, ob ein sozialer Kontakt von der anderen Person erwünscht ist oder diese eher Abstand und Diskretion wünscht. Die Schutzzone und Intimsphäre eines anderen wird forsch und respektlos übergangen, ohne sich der mangelnden Angemessenheit und der möglichen Konsequenzen bewusst zu sein.

Distanzlosigkeit kann eine pathologische Erscheinung sein, sie kann aber auch auf einen Charakter hinweisen, der die Unreife und mangelnde Selbsteinschätzung der taktlosen Person anzeigt. Hinter der Eigenart, sich anderen aufzudrängen, vorzudrängeln, einzumischen und das Geschehen dominieren zu wollen, verbirgt sich ein überzogenes Verlangen nach Nähe und Aufmerksamkeit. Der Distanzlose sucht entweder nach Bestätigung für seine Einzigartigkeit, will sein Macht- und Freiheitsbedürfnis ausleben oder seine innere Anspannung aufgrund eines Gefühls des Alleinseins loswerden.

Dem Narzissten mangelt es an Selbstreflexion und Empathie. Er kann sich nicht in andere einfühlen und erkennt nicht seine Wirkung, die er auf andere hat. Deswegen kann er deren Grenzen nicht wahrnehmen und geht stattdessen über sie hinweg. Zudem hat er den Hang, immer im Mittelpunkt zu stehen und sich wichtig zu machen. Darüber reguliert er sein Selbstwertgefühl. Er will spüren, dass er besser als andere ist, und hierzu benötigt er die Aufmerksamkeit und Bewunderung seiner Mitmenschen. Aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus meint er dann, sich alle Rechte herausnehmen und über seine Mitmenschen willkürlich verfügen zu dürfen. Die Folge ist dann häufig eine störende Distanzlosigkeit.

Wie fühlen sich Betroffene angesichts der Distanzlosigkeit des Narzissten?

Meist sind Betroffene zutiefst schockiert über das distanzlose Verhalten des Narzissten, der sich trotz ausdrücklicher Ermahnungen und eindeutiger Gesten der Ablehnung nicht vertreiben lässt. Im Gegenteil: Häufig wird er noch zudringlicher, wenn sich ihm seine Mitmenschen verweigern und ihn ausschließen wollen. Empörung und Fassungslosigkeit angesichts dieser unabweisbaren Impertinenz machen sich dann unter Betroffenen breit.

In manchen Fällen wundern sich Betroffene zwar über die Distanzlosigkeit des Narzissten, lassen es sich aber gefallen, weil sie nicht unfreundlich sein wollen und denken, der Narzisst werde sich irgendwann schon wieder von allein zurückziehen. Wenn man ihm allerdings großzügig die Bühne überlässt, räumt er erst recht nicht den Platz, sondern nimmt die unausgesprochene Einladung gerne an. Zuweilen fühlen sich Betroffene auch völlig eingeschüchtert von dem aggressiven und übergriffigen Auftreten des Narzissten und sind angesichts seiner Dominanz wie gelähmt. Dann lassen sie alles über sich ergehen, was ihnen der Narzisst antut.

Der Distanzlosigkeit eines Narzissten kann man nur entgehen, indem man sich konsequent abgrenzt und dem Narzissten unmittelbar klarmacht, dass man seine Gegenwart nicht wünscht. Verlässt er trotz unmissverständlicher Aufforderung nicht den Raum, sollte man selbst gehen oder sich gegebenenfalls Hilfe und Schutz suchen. Manchmal kann es auch helfen, dem Narzissten sein unangemessenes Verhalten zu spiegeln: „Haben wir heute einen Termin?“ – „Habe ich dich nach deiner Meinung / Hilfe gefragt?“

Die Kunst liegt anschießend darin, dem Narzissten nicht zu gestatten, über die Frage einfach hinwegzugehen, sondern eine klare Antwort freundlich, aber hartnäckig einzufordern – und notfalls so lange zu schweigen, bis er etwas geäußert hat, das eine Einsicht erkennen lässt. Betroffene sollten vermeiden, den Narzissten direkt auf sein grenzüberschreitendes Verhalten anzusprechen und ihn erziehen zu wollen. Der indirekte Weg über die Spiegelung ist oftmals zielführender, weil sich der Narzisst so nicht direkt angegriffen fühlt, woraufhin er nur verletzend und erneut distanzlos agieren würde.


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Veröffentlicht in Eigenschaften eines Narzissten
21 Kommentare zu “Die Distanzlosigkeit eines Narzissten
  1. lilli sagt:

    Hallo Ihr Lieben,

    ein gutes neues Jahr,
    mit Fortschritt in
    Freiheit und Selbständigkeit,
    Perfektion muss nicht sein, geht bei mir eh nicht.
    Falls ihr wie ich beim
    ‚Lieblingsnarzissten‘ bleibt.
    Ich bleibe mit meinem nicht ganz so krassen narzissmusproblematischen Ehemann, Vater unserer gesund selbständigen Kinder, zusammen.
    In letzter Zeit schaue ich ab und zu die Videos
    ‚Dr. Pablo Hagemeyer klärt auf‘.
    Er spricht von ‚Lieblingsnarzisst‘,
    das ist für mich hilfreich, meinen Mann für mich selbst so zu nennen 🙂
    Love it, change it or leave it.
    Auf ein gutes neues Jahr
    2024″!♡!

    • Antinarz sagt:

      Hallo.
      Ich weiss nicht ob es nur mir so geht, aber ich finde deine Aussagen teilweise strange.
      Lieblingsnarzisst????
      Kopfschüttel.

      Diese Menschen zerstören das Leben anderer Menschen.
      Da gibts nur eins.
      Leave him or her.

      Guten Rutsch!

  2. Antinarz sagt:

    Komischerweise passt nichts von dem Artikel zu meinem Ex-Freund.
    Das war eher so ein leiser Narz, der immer eine „lustige“ Manipulation auf Tasche hatte.

    Aber zu meinem verstorbenen Narz-Vater passt es wie die Faust aus Auge.
    Übergriffig, angriffslustig, beleidigend, besserwisserisch, distanzlos.

    Nicht jeder Narz hat also jede Narz Angewohnheit.

  3. Amy sagt:

    Ich würde es nicht „Distanzlosigkeit“ nennen. Narzisstisch Gestörte sehen ihre Mitmenschen nur als Nutzgegenstände, die dazu da sind, ihnen zu liefern, was sie wollen. Eigene Bedürfnisse und Wünsche darf man nicht haben, außer sie können sie für ihren eigenen Ruhm benutzen („XY geht es ja so schlecht, der wäre völlig aufgeschmissen ohne mich.“) So oder so: man hat nur eine Rolle. Man existiert nicht wirklich. Die Realität interessiert diese Menschen nicht, nur das, was sie benutzen können. Darum sind sie auch immer einsam und unglücklich und beneiden andere, die wirkliche Bindungen und ein eigenständiges Leben haben.
    Diese Menschen sind null anpassungsfähig und kreativ; sie wollen, dass die Welt so läuft, wie sie wollen, und finden immer wieder Naive, die ihnen dabei helfen.
    Abandon all hope (and self) all ye who enter.

    • lilli sagt:

      Hallo Amy,
      Hab dein so überzeugendes Zitat von Dante gegooglet:
      “ Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate: Lasst, ihr die ihr eintretet, alle Hoffnungen fahren.“
      Ja, bei krassen Narzissten.

      Doch was mach ich mit denen, die nicht durch und durch narzisstisch sind, sondern diesen sogenannten mehr oder weniger ausgeprägten
      narzisstischen Lebensstil
      haben?
      Diese hab ich seit meiner Kindheit an der Backe.
      Mit meiner, kurz gesagt narzisstischen, Mutter, habe ich mich, selber alt, in ihrem hohen Alter ausgesöhnt –
      Weil ich im Lauf meines Lebens immer wieder mit Menschen mit Narzissmusproblemen konfrontiert war, und,
      nachdem ich meinem Co-Verhalten auf die Spur gekommen war,
      aus diesem laaangsam herausgewachsen bin:
      Über Jahre mit Literatur, Ärzten/innen ,Psychotherapeuten/innen, Selbsthilfegruppen, Familienberatungsstelle und dem Internet, und darin vor allem mit Hilfe von Sven Grüttefiens themenzentrierter Aufschlüsselung des ‚Umgangs-mit-Narzissten‘ hier.

      Wenn man eine gesunde Grundlage mitbringt, kann man die, kurz gesagt Narzissten, schneller ‚verabschieden‘ und dann in gegenseitig liebevollen Bindungen leben.

      Wenn man schon aus so einem ‚Stall‘ kommst,
      unterschiedliche Ausprägungen von Narzissten/innen und Co-Leuten kennt,
      dreht man mehrere Runden
      bis man durchblickt und den Ausgang findet.
      Man kann die Ausprägung der’kranken‘ und gesunden Anteile der Menschen mit Narzissmusproblemen erkennen, sich viel besser abgrenzen, und die Erwartungen bzw. Hoffnung
      zurückschrauben bezpglich den Verhaltensweisen, die die Menschen mit Narzissmusoroblemen nicht, kaum oder zu wenig
      können bzw. können wollen.
      Mir hilft der Spruch:
      Love it, change it or leave it.
      lilli

      • Amy sagt:

        Hallo Lilli,
        in meinem Fall ganz klar „leave it“. Lieben kann man diese Menschen nicht; ändern kann man sie auch nicht. Vielleicht lenken sie zum Schein ein, um die Beziehung zu ihnen erträglicher zu machen, aber sie sind und bleiben Parasiten, denen die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Umwelt egal ist. Wenn du Ausnahmen kennst, meinen Glückwunsch.

        • lilli sagt:

          Liebe Amy,

          zum Glückwunsch reichen die Ausnahmen nicht,
          denn auch der sog. narzisstische Persönlichkeitsstil gibt zu wenig Zuwendung und würde zu viel Anpassung fordern.
          Am besten ist:
          leave it-
          bzw. verbrenn dir nicht mehr
          einen zwei drei vier oder alle fünf Finger daran,
          sondern zieh klare Konsequenzen,
          z.B mich nicht zu seiner E-Bike-Fan-Runde gesellen.
          Abstände einhalten .
          Am besten
          Winkewinke
          ganz verabschieden!

  4. lilli sagt:

    Hallo,

    das distanzlose Verhalten zu spiegeln und
    eine klare Antwort abwartend einzufordern,
    ist der Königsweg.

    Das Wichtigste für mich
    ist, dass, aus dem
    familiären Narzissmus und
    Co-, herauszuwachsen,
    meine Chance zum
    selbstbestimmten
    Leben war!,
    wobei der Weg das Ziel ist.

    Wenn mir ab und zu noch
    Co- zu sein passiert,
    ist wichtig, wieder auf
    Anfang zu gehen,
    mit Trainieren obigen
    Königsweges.
    Denn zu viel Konzentration auf die
    Menschen mit
    Narzissmusproblemen,
    hilft nicht weiter.

    lilli

  5. Mariadirohan sagt:

    Hendrik, da kannst du aber bei einem Nazissten lange warten und schweigen, bis diese gewünschte Erkenntnis kommt. Aus mir spricht eine 23 Jahre lange Erfahrung!

  6. Sabina sagt:

    Danke, Herr Grüttefien, für den wieder sehr guten Beitrag!

    Zu dem Thema Distanzlosigkeit und Übergriffigkeit könnte ich aus meiner Erfahrung mit einem ehemaligen Partner viele Seiten füllen.

    Seinerzeit fiel mir dieses Verhalten bei ihm zwar durchaus auf, und ich äußerte ihm gegenüber bei manchem auch, dass mir das so nicht gefällt und ich machte auch nicht bei allem mit, was er vorgab. Doch bewertete ich dieses Verhalten bei ihm damals als nicht so übermäßig wichtig. Zum einen, da er mir mit seinem sonstigen Verhalten ansonsten sehr zugetan war (zumindest kam es mir damals so vor), und die „kleinen“ Übergriffigkeiten ich damit abtat, dass das nun mal so seine Art war, und das nicht überzubewerten sei.
    Von Narzissmus und seinen verschiedenen Ausprägungen wusste ich damals noch nicht wirklich was!

    Desweiteren habe ich, wenn auch erst rückblickend, erkannt, dass durch diese Beziehung bzw. durch diesen Partner, dessen Art und Weise unbewusst alte Kindheitsmuster in mir berührt wurden, die dadurch wohl auch unbewusst reaktiviert worden sind. Verhaltensweisen bei ihm, die mir aus meiner Kindheit von anderen Personen irgendwie tief vertraut waren, was vermutlich auch dazu beigetragen hat, dass ich mich ihm auf eine besondere Weise verbunden und „verpflichtet“ fühlte.
    Heute habe ich die Erkenntnis, dass eine meiner früheren kindlichen Lösungsstrategien darin lag ( und da denke ich, bin ich nicht die einzige!), über mich bestimmen zu lassen, mich zurückzunehmen und um des lieben Friedens Willen und dass es allen gut ging und ich mich gemocht und angenommen fühlen konnte, mich möglichst angepasst und wie erwünscht zu verhalten.

    Durch diesen Partner bzw. diese Beziehung habe ich, wenn auch erst im Nachhinein, viele Erkenntnisse nicht nur über Narzissmus und seine Varianten sondern auch über mich selbst gewinnen können.

    Ein schmerzhafter und langer, doch zugleich erkenntnisreicher und heilsamer Prozess, der bei mir damit in Bewegung gekommen ist, auf dem Weg zu mir selbst.

  7. Mimi sagt:

    Dazu fällt mir eine kleine Anekdote ein:
    Vor einigen Jahren hatte ich eine Bekannte auf deren Hund ich aufpassen sollte. Das erste Mal stand sie statt wie verabredet um 7 Uhr morgens schon um 6:30 Uhr vor der Tür um den Hund abzugeben. Ich hatte sie noch nicht erwartet und saß daher noch auf der Toilette als sie klingelte. Sie entschuldigte sich nicht für ihr verfrühtes Erscheinen sondern erzählte mir nur fröhlich, dass sie sich überlegt hatte doch mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und deshalb früher los müsse. Ich nahm das für dieses Mal so hin weil ich noch viel zu müde für eine Diskussion war und immer noch zur Toilette musste.
    Das nächste Mal hatte sie Nachtschicht und wir hatten wieder eine feste Zeit vereinbart zu der sie den Hund vorbei bringen sollte. Nur hatte ich dieses Mal vorher selbst noch einen Termin und war deshalb nicht früher zuhause. 20 Minuten vor der verabredeten Zeit rief sie mich an, sagte in vorwurfsvollem Ton, dass sie vor meiner Tür stände und fragte empört, warum ich nicht zuhause sei. Ich entgegnete, dass ich selbst einen Termin hatte und zur verabredeten Zeit zuhause sein würde. Als ich pünktlich zuhause ankam, erwartete sie mich mit finsterer Mine und beschwerte sich weil sie auf mich hatte warten müssen als wäre es eine Majestätsbeleidigung. Ich wies sie nochmal auf die vereinbarte Uhrzeit hin sowie darauf, dass ich pünktlich angekommen sei. Daraufhin motzte sie, dass es ja wohl normal wäre, früher da zu sein und meinte, ich sei schuld daran, dass sie nun zu spät zur Arbeit kommt.
    Ich sagte ihr daraufhin ruhig aber direkt, dass es unhöflich ist, unangekündigt früher aufzutauchen als vereinbart. Auch wies ich sie darauf hin, dass wenn sie zu spät zur Arbeit kommt obwohl ich zur vereinbarten Zeit zuhause war, sie allein für ihre Verspätung verantwortlich ist. Als sie es daraufhin noch immer nicht einsah, sagte ich zu ihr, dass sie sich dann wohl jemanden suchen müsse der ihrem Anspruch, frei über einen anderen und dessen Zeit zu verfügen, gerecht wird und sie ihren Hund wieder mit nach Hause nehmen könne. Sie zog wutentbrannt ab und redet seither kein Wort mehr mit mir wenn wir uns zufällig über den Weg laufen. Das ist mir sehr recht so und ich habe es nie bereut.
    Ich habs nicht so damit, Narzissten vorsichtig ihr Verhalten zu spiegeln und dabei freundlich zu bleiben – Ich bin eher von der Sorte, ab einem gewissen Punkt klar Stellung zu beziehen und für den anderen spürbare Konsequenzen zu ziehen damit derjenige merkt, dass man soetwas mit mir nicht machen kann.

    • Sonja sagt:

      finde ich super, genauso sollte man es machen. ist nicht immer möglich, oft im beruflichen zusammenhang, aber mittlerweile würde ich auch alles machen, um den narzen loszuwerden…

    • lilli sagt:

      Finde ich sehr gut und gesund, Mimi,
      aufgezeigt an einem tollen konkreten Beispiel.

      Ist nur schwieriger,
      vereinnahmt in der Distanzlosigkeit,
      die ‚Startlöcher für die Abgrenzung‘ zu finden,
      wenn man wie ich in einer Familie mit narzisstischen und co-narzisstischen Problemen
      aufgewachsen ist.
      lilli

      • Mimi sagt:

        Hallo lilli,

        Ich musste auch in einer narzisstischen Familie aufwachsen und weiß genau, was du meinst. So flott wie in dem Beispiel gelingt es mir auch nur 1. bei Menschen außerhalb meiner Familie und 2. Wenn ich früh genug die Reißleine ziehe und nicht schon „eingewickelt“ bin und mein Selbstvertrauen bereits bröckelt.
        Bis dahin war es harte Arbeit und schön ist anders, schließlich möchte man ja eigentlich gut und in Frieden mit seinen Mitmenschen leben. Aber es bewahrt mich vor großem Leid erkennen zu können, mit wem das nicht möglich ist. Und was meine Familie angeht hilft nur Distanz und 0 Kontakt.

        Liebe Grüße

        • lilli sagt:

          Halli Mimi,

          nachdem zu meiner sehr alten Mutter versöhnlich zu sein vor ihrem Tod noch möglich war, beende ich nun aber meine weihnachtlichen Versuche, eine vernünftige Ebene mit meinen auch schon alten Geschwistern zu erreichen.
          Ist leider nicht möglich: dann kommt nichts bzw. höchstens ein einmaliger distanzloser Überfall.
          Würde mir nicht gut tun.

  8. Hendrik sagt:

    Lieber Herr Grüttefin
    Bei dem aktuellen Beitrag „Distanzlosigkeit“ muss ich noch ausprobieren, wie ich nach der Abgrenzung:
    „eine klare Antwort freundlich, aber hartnäckig einfordern kann– und notfalls so lange schweigen, bis er etwas geäußert hat, das eine Einsicht erkennen lässt.“

    -Danke für die Newsletter, diese haben mir in den letzten Jahren sehr geholfen mit einigen Problemen besser umgehen zu können.

    • lilli sagt:

      Hallo Hendrik und alle!

      … dann wirklich zu schweigen,mich abzuwenden und meine Dinge zu tun,
      fällt mir schwer.
      Bei Stefanie Stahl las ich in ‚Wer wir sind‘: Wenn man nicht auf Abstand geht,
      heißt das:
      Je mehr sich meine Gefühlswallungen steigern, um so weniger hat der Verstand eine Chance,
      wegen der überströmenden gefühleverursachenden Botenstoffe im Gehirn.
      Also möglichst schnell in Distanz gehen und in Distanz bleiben.
      Wenn keine Antwort kommt, ist beiden wenigstens nicht die verdrehte ‚Anti-Kommunikation‘ um die Ohren geflogen.
      Aus solchen Situationen entstand wohl das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
      Schon sozusagen in Silber’Tacheles‘ reden, doch in Gold Schweigen und abwarten –
      oder gut sein lassen,
      nicht weiterbohren.

      Also für mich ist ‚Narzissmus als Chance‘ gegeben, wofür ich, aus einer Familie mit Narzissmus- und Co-Problemen kommend, für
      mein Leben dankbar bin, die Chance da herauszuwachsen, bekommen zu haben!
      Schönen Sonntag!
      lilli

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